Die Wiederentdeckung der ehemaligen Erzgruben von Schmitten, ein Kurzporträt

Vreni Giger-Item, Haldenstein

Wo befinden sich die Erzgruben?

Die ehemaligen Erzgruben im Schmittner Berg sind in der Landeskarte der Schweiz  (Blatt Bergün 258 [1:50 000], Blatt Filisur 1216 [1:25 000]) auf 2546 m Meereshöhe, direkt unter dem Grate, welcher den Guggernell mit dem Tiaunhorn verbindet, eingezeichnet.
In gut zweistündigem Aufstieg von der Schmittner Alp führt ein Bergpfad zunächst durch Legföhrenhänge, dann über kärgliche Alpweiden und zwischen Felstrümmern sich hindurchwindend zu den Bleigruben. Als Erstes sieht man noch die Reste der einstigen Gebäulichkeiten, die aus Werkstatt (Schmiede) und Unterkunftsräumen für die damalige Belegschaft bestanden hatten, sowie Reste der Scheidehütte.

Wiederentdeckung
 
Bergwerke haben immer etwas Reizvolles. Liegt doch in der Aufdeckung verborgener Schätze der Erde die Enthüllung von Geheimnissen in den Tiefen der Berge, in der Zutageförderung durch tiefe Schächte und düstere Stollen der beeindruckende Vorgang der Förderung aus dem Dunkeln ans helle Tageslicht, und als Segen spendendes Resultat die ermöglichte Verwertung toter Materie zu lebenswichtigem Zwecke. Verödete und stillgelegte Gruben lassen zudem der Fantasie jeden Spielraum über vergangenes Leben und Treiben.
 
Auch hier, im abgelegenen, wilden und hohen Gebirgstale des Schmittner Berges, herrschte einst Regsamkeit und Betrieb, und gerade diese nachträgliche dort herrschende Stille und Einsamkeit regte an, den geschichtlichen Tatsachen, welche mit diesem Betrieb im Zusammenhang standen, nachzuforschen.
Dies taten Ende der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts einige Ineressierte. Wie Ingenieur Alexander Bernhard von Wiesen in der <<Terra Grischuna>> im Oktober 1966 <<über die einstigen Bergwerke im Albulatal>> berichtete, waren die Stolleneingänge kaum mehr erkennbar, ausser die mit Kalkstein vermischten Stücke von Bleiglanz un die herumliegenden Holzteile, die auf verschüttete Eingänge hinwiesen. Dies war beim Hauptstollen noch besser zu erkennen, weil man an der Sohle des Eingangs ein paar eingeknickte, stehende Träger der Zimmerung des durch Erdschlipf zerstörten Stolleneingangs herausragen sah. Die sahen viele; unter anderem auch Mathias Balzer selig, welcher den Bericht <<Alte Bleigruben neu entdeckt>> schrieb. Diesem interessierten Maler - dazumal Hobby- später prof. Maler - unserer Gegend schrieb Johannes Strub von Jenisberg am 6.April 1966 einen Brief. Der gründliche Kenner und Erforscher der Berwerksgeschichte und der Anlage am Silberberg händigte ihm einen genauen Plan des verschütteten Haupt- und Hüttenstollens des Schmittner Bleiberges, welcher aus dem Staatsarchiv von Chur (Dokument B2102) stammt.

Am 17. August 1967 wurde dann durch Mathias Balzer und Fridolin Brazerol mit der Sucharbeit an dem verschütteten Hauptstollen angefangen. Sie stiessen noch am selben Tag auf liegende Balken des eingestürzten Traggerüstes. Diese beiden Grubenarbeiter machten sich wieder auf den Heimweg und liessen ihre mit wenig Aussicht auf Erfolg anstrengende Arbeit ruhen. Diesem Treiben im Bleiberg sah ein 12-jähriger Ziegenhirt vom oberen linken Tschuggen des Tiauns interessiert zu und berichtete seine genauen Beobachtungen am Abend seinem Vater Richard Item senior sel. Dieser Ziegenhirt, welcher 1966 und 1967 in Schmitten die Ziegen hütete, hiess auch Richard, aber man nennt ihn heute Richi. Er war mit seinem Vater schon als Kleinkind mit und ohne Begleitung von Joh. Strub ein Duzend Mal in den Stollen des Silberberges herumgekrochen und somit auch Fan der Bergwerke geworden. Sein Vater arbeitete sein Leben lang auf dem Bau und als Mineur und verrichtete viele Sprengarbeiten in der Zügenschlucht und an anderen Orten. Die beiden Richards kannten den Bleiberg Schmitten durch ihre Streifzüge mit den Ziegen gut. Der Vater war ein Fachmann auf diesem Gebiet, und somit war die Beobachtung seines Sohnes Richi vom 17. August 1967 im Bleiberg Schmitten ein Fressen für ihn. Das Bergwerk interessierte ihn so sehr, dass er sich am 1.Oktober 1967 alleine zum Bleiberg begab. Ausgerüstet mit einem kleinen Gartenhäckerli, natürlich mit dem heimlichen Wunsch, der Erste zu sein, die Höhle zu entdecken und zu erforschen.
<<Er kam, sah und siegte!>>
 

Nachdem er nach gründlicher Überlegung des Sachverhaltes sah, dass seine beiden Vorgänger an der Sohle zu graben angefangen hatten und dass ein bis zwei Tage Arbeit nötig wären, um den Zugang richtig begehbar zu machen, kam er zur Überzeugung, nicht weiter an der Sohle, sondern am noch nicht ersichtlichen Gewölbe mit der Suche zu beginnen. Schon nach 20 Minuten versank sein Gartenhäckerli, und Material rieselte vom Gewölbe des Stolleneinganges hinunter in den Hauptstollen. Sein inniger Wunsch war in Erfüllung gegangen. Kurz darauf berichtete er Mathias Balzer von seinem Fund und natürlich anderen Interessierten sowie allen, die ihn kannten, was höllische Begeisterung, aber zum Teil auch grossen Neid im Dorfe Schmitten auslöste.
Die Erschliessung des Bleiberges

Eine Woche später pilgerten schon einige sowie zwei frustrierte Gesichter mit dem erfolgreichen Richard und Sohn Richi zur Besichtigung der unterirdischen Erzlagerstätte in den Bleiberg hinauf. Vater Richard war seither Strub Nr. 2, und diese Höhle wurde zu seinem Heiligtum. Er und sein Sohn Richi unterhielten diese mit Leib und Seele, und so wurde an jedem freien Tag ununterbrochen, wenn das Wetter einigermassen mitspielte, dort oben gearbeitet. Es wurden durch den Vater auch unzählige Führungen mit Bergbaufreunden, Touristen und anderen Interessierten gemacht. Richard Item gelang es auch, nachträglich ohne Plan am 10. August 1968 den Hüttenstollen zu finden. Selbst seine Frau Vreni Item-Stoller arbeitete ein Dutzend Mal dort oben. So karrte sie einmal an einem Sonntag gleich 32 bleischwere Karretten voll Schutt aus dem Hauptstollen, durch den 15 Meter langen ganz schlecht begehbaren Eingang ins Freie hinaus. Würden das heute Ehefrauen auch noch tun?

Seit dem Fund vom 1. Oktober 1967 regte sich viel im Bleiberg Schmitten, von dessen Abenteuer, Führungen, schwerer Arbeit und Erlebnissen usw. seither R.Item sen. sel. ein Album mit den dazugehörenden ausführlichen Berichten führte. Dieses farbige Buch mit unzähligen Fotos und Berichten als Erinnerung besitzt seit seinem Tod im Jahre 1997 sein Nachfolger, Sohn Richi, welcher bei diesem Unternehmen seines Vaters meistens dabei war und mitwirkte.
 

Die Besuche heute

Richi, der seit 1978 in Schmitten ein eigenes Motorradgeschäft führt, hat nun die Rolle seines Vaters übernommen. Jeweils ab Juli macht er gratis Führungen mit Fahrt auf die Schmittner Alp und zurück im Pinzgauer. Die Personenzahl ist unbeschränkt, und nach telefonischer Anmeldung an allen schönen Sonntagen bis Ende Jahr bietet er dem Tourismusverein Schmitten, Bergbaufreunden und anderen dieses tolle Angebot an. Es benötigt jedoch für den Aufstieg ab Schmittner Alp ca. 2.5 Stunden Marschzeit. Retour-Wanderung ca. 1 Stunde. Der Hauptstollen ist mit einem B-200-Notstromaggregat und Scheinwerfer (EX-Militär) ausgerüstet, und jedem Teilnehmer wird zusätzlich ein Handscheinwerfer und Helm für die Besichtigung ausgehändigt. Später erhält jeder ein paar Fotos als Souvenir zugeschickt. An den Führungen ist jede Person durch den Tourismusverein Schmitten versichert. Richi hat am 8. Juli 2001 einen zweiten Eingang an der Decke der grossen Halle gefunden, welchen man mit einem Bergsteigerseil als Notausstieg benutzen kann. Der Hauptstollen ist eine Sehenswürdigkeit. Ein Labyrinth von Stollen und Gängen sowie eine riesige Halle über drei Stockwerke lockt jeden zur Erkundung. Das Terrain ist manchmal leicht glitschig und stellenweise für weniger Klettergewohnte schwierig, aber höchst interessant und jedem zur Besichtigung zu empfehlen. Der Hüttenstollen ist nur ca. 30 Meter lang und die Breite höchstens 1 Meter. Seine Höhe liegt etwa zwischen 1,7 und 2 Metern.

 

Historische Streiflichter

Was man kurz allgemein dazu sagen kann (siehe Literaturangaben). Die Bergbauperiode dauerte von 1447 mit Unterbrüchen bis 1848. Im Juli, August und September waren 10 bis 12 Mann in den Gruben beschäftigt. Es wurden hauptsächlich Bleierz und Zinkblende abgebaut, die auf mühsame Weise mit Tragräfen, Saumtieren, Ochsenkarren, Schlitten usw. ins Tal hinunter zum Hochofen transportiert werden mussten. Ende des 14. Jahrhunderts existierte im Schmittner Tobel oberhalb des Dorfes noch eine Schmelze. Ob diese Schmelze um 1480 in Gebrauch war zur Verhüttung des Bleierzes, welches im Bleiberg gewonnen wurde, oder ob sie aus der früheren Zeit des Eisenbergbaues stammte, steht nicht fest. 1577 transportierte man das Bleierz nach Filisur (Bellaluna). Erst in der letzten Abbauzeit im 19. Jahrhundert transportierte man das Schmelzgut nach dem Schmelzboden im Landwassertal bei Monstein.
Die Ausbeute im Schmittner Berg muss befriedigend gewesen sein, und die Qualität des Erzes wird als sehr gut bezeichnet. Die Gruben auf dem Gebiete von Schmitten (südseits des Kammes) wurden seit jeher zusammen mit demjenigen auf der Nordseite (Alp Ramoz) betrieben. Dort, nahe des wild gezackten Kammes, in hoher Felswand, können heute noch drei Gruben festgestellt werden, in welchen gleichartiger Bleiglanz gewonnen worden ist. Da diese drei Gruben auf Alvaneuer Gebiet sind, weist eine Urkunde aus dem Jahre 1648 auf grössere Streitigkeiten zwischen den Gemeinden Schmitten und Alvaneu hin, wegen Blei- und Erzfuhren. Ein unparteiisches Gericht entschied zu Gunsten von Schmitten, weil das Erz zur Hauptsache auf dem Gebiet dieser Gemeinde gewonnen worden ist. Die Metalle, die im Bleiberg gewonnen wurden, waren dazumal ein Machtmittel und stellten ein riesiges wirtschaftliches Potenzial dar. Wer Eisen hatte, um Werkzeuge und Waffen herzustellen, und gar noch Blei, um damit zu schiessen, der hatte die uneingeschränkte wirtschaftliche und politische Macht.

 

Ausblick

Der Hüttenstollen war nur ein Sondierstollen. Dieser Stollen gibt Richi viel zu tun. Der Einstieg in der Geröllhalde wird immer wieder verschüttet und muss alle Jahre wieder frisch von ihm alleine ausgebuddelt werden. Darum hat er vor, in den nächsten Jahren mit Eisenbahnschwellen diesen Eingang zu sichern und offen zu halten. Er arbeitet pro Jahr bis zu 5 Tage jeweils sonntags meistens alleine für den Unterhalt. Den Notausstieg will er auch noch einfacher, um ohne Seil zu benützen, gestalten. Eine kleine Hütte für Werkzeuge, Notstromaggregat usw. zu erstellen, ist ebenfalls vorgesehen. dies und noch anderes kommt hinzu, wenn man die Stollen, wie sie jetzt sind, erhalten und für die Besichtigung bereit stellen will. Noch, und solange Richi laufen mag, macht er das, aber nachher den gleichen Idealisten zu finden, wird schwieriger. Richi, der schon über 350-mal oben war, meint, dass der Bleiberg und die Gruben sowie die Wanderung in diesem herrlichen Gebiet bis jetzt noch jedem gefallen haben. Es würde den Führer und den Tourismusverein Schmitten sehr freuen, auch mit Ihnen eine solche Exkursion durchzuführen.
 
 
Adresse der Verfasserin
 
Vreni Giger-Item
Bahnhofstrasse 9
7023 Haldenstein

Literaturverzeichnis

  • Über die einstigen Bergwerke im Albulatal, A.Bernhard, Wiesen, Terra Grischuna, Oktober 1966
  • Alte Bleigruben neu entdeckt, Mathias Balzer, Schmitten, Bündner Jahrbuch 1970
  • Erzlagerstätten und Bergbau im Schams, in Mittelbünden und im Engadin, 1935, Ed. Escher, Beiträge zur Geologie der Schweiz
  • <<Schweizer Strahler>>, G. Rüdlinger, 1979, Vol. 5, Nr. 3
  • Festschrift des Zehngerichtenbundes von Staatsarchivar Dr. Gillardon, Staatsarchiv Chur
  • <<Arosa ein Bergbauzentrum auf Metallerze in Graubünden 1440>> von Th. Schneider
  • Die alten Bleigruben im Schmittner Berg, Ing. A. Bernhard, Wiesen
  • Geschichte des Bergbaus der östlichen Schweiz, Placidus Plattner, 1878, Chur, bei Sprecher u. Plattner
  • Der alte Bergbau am Bleiberg bei Schmitten im Albulatal, Christian Brazerol, Schmitten und Hans Krähenbühl, Davos, Bergknappe12, 2/1980

Informationen über den Schmittner Bleiberg:

  • Richard Item, Schmitten, Telefon: +41 81 404 13 31, Mobile: +41 79 611 15 50,
  • oder Thomas Widmer, Schmitten Tourismus, E-Mail: info@schmitten-tourismus.ch